Wer oder was handelt?
Die Handlungsfähigkeit von Subjekten zwischen Strukturen und sozialer Praxis.
Problemstellungen und Herausforderungen der Hermeneutischen Wissenssoziologie
Die Hermeneutische Wissenssoziologie stellt einen bedeutenden theoretischen, methodologischen und methodischen Ansatz der gegenwärtigen sozialwissenschaftlichen Gesellschaftsanalyse dar. Ihre seit den späten 1980er und 1990er Jahren ausformulierten Beiträge haben die sozialwissenschaftliche Grundlagendiskussion und insbesondere auch die neuere qualitativ und rekonstruktiv verfahrende Sozialforschung bereichert. Die eng an Berger/Luckmann und Soeffner anknüpfende „Großfragestellung“ der Hermeneutischen Wissenssoziologie untersucht, „wie Handlungssubjekte, hineingestellt und sozialisiert in historisch und sozial entwickelte Routinen und Deutungen des jeweiligen Handlungsfeldes, diese einerseits vorfinden und sich aneignen (müssen), andererseits diese immer wieder neu ausdeuten und damit auch ‚eigen-willig‘ erfinden (müssen).“ Damit ist die Hermeneutische Wissenssoziologie ein Versuch, die unfruchtbare – und seit langem kritisierte – Gegenüberstellung von ‚Struktur‘ und ‚Handeln‘, ;Struktur‘ und ,Kultur‘ zu überwinden sowie die wechselseitige Durchdringung dieser Ebenen in ihrer je konkreten Auswirkung auf soziale Praxis zu erfassen und empirisch nachzuvollziehen.
Vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen, aber auch angesichts der Ausdifferenzierungen des theoretischen Feldes stellen sich der Hermeneutischen Wissenssoziologie gleichwohl neue Probleme und Herausforderungen, die mit der Infragestellung des Subjektkonzepts einhergehen. Die Hermeneutische Wissenssoziologie ermöglicht hier derzeit keine klare Entgegnung. Unterschiede darüber, wie das Verhältnis der vorstrukturierten sozialen Wirklichkeit zum handelnden und die soziale Wirklichkeit so tragenden Subjekt gefasst ist, werden zunehmend erkennbar: Eher interaktionistische und existenziale Ansätze stehen neben eher strukturalistischen Fassungen. Damit ist dann nicht mehr so ohne weiteres ersichtlich, welches Grundlagenverständnis zu Fragen der Konstitution von Wissen, Handeln und Subjektivität an die Analyse mikro- und makrosozialer Phänomene herangetragen werden kann und werden sollte.
Das Anliegen der Arbeitstagung ist, eine Verständigung innerhalb der Hermeneutischen Wissenssoziologie anzuregen. Auf der Tagung „Wer oder was handelt? Die Handlungsfähigkeit von Subjekten zwischen Strukturen und sozialer Praxis“ sollen demnach die subjekttheoretischen Grundlagen der Hermeneutischen Wissenssoziologie und die Relevanz dieser Grundlagen für eine verstehende Rekonstruktion einer zunehmend global vernetzten sozialen und kulturellen Wirklichkeit erörtert werden.
Vortragen werden folgende ReferentInnen:
Achim Brosziewski (Pädagogische Hochschule Thurgau)
Martin Endreß (Universität Trier)
Ronald Hitzler (TU Dortmund)
Reiner Keller (Universität Augsburg)
Hubert Knoblauch (TU Berlin)
Ronald Kurt (Ev. Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe)
Angelika Poferl (Hochschule Fulda)
Jo Reichertz (Universität Duisburg-Essen)
Joachim Renn (Universität Münster)
Bernt Schnettler (Universität Bayreuth)
Norbert Schröer (Hochschule Fulda)
Dariuš Zifonun (Alice Salomon Hochschule Berlin)